Touris in Gambia 2009
Der Wagen hielt quietschend, das Gepäck wurde verstaut.
Numu (Reiseleiter) nahm neben dem Beifahrersitz Platz. Dahinter ein Pärchen: Er
hatte einen Haarschnitt, der mal Anfang der 80er modern war. Vorne kurz
und nach den Ohren hing es gestriegelt dünn bis über die Schultern hinab.
Lange Nase und dunkle Sonnenbrille darauf, Ohrring links. Ledercowboyhut in der Ablage. Zu allem Überfluss auch noch einen Schnauzer. Typus Wolfgang Petry. Herztattoo auf dem rechten Arm mit geschnörkelter Aufschrift ,Monika‘.
Provokantes Schalke-T-Shirt. Neben ihm wohl Monika.
Ja, sie hatte schön was vor der Kiste – und superblondiertes, halblanges
Haar, grell geschminkt und vorne zusammengebundenes Jeanshemd, wo
man teilweise die tätowierten prallen Möpse erkennen konnte. Die restliche Eleganz blieb verborgen, da sie eine Tasche auf ihrem Schoß liegen
hatte. Neben den beiden ein kleiner dicker, Schlotzer lutschender Mops
mit Sommersprossen, weißem 50Cent-T-Shirt und weißem 50Cent-BaseCap auf seiner Birne. Falsch herum natürlich und Preisschild drauf, damit
jeder erkennen konnte, was die Werbung für den Rapper einbrachte.
Dahinter ein Mann ... oder Frau? Jedenfalls halblanges lockiges Haar und
ebenfalls geschminkt. Das Hemd bestand aus großen Mustern von pink
und hellblauen Hibiskusblüten auf gelbem Grund.
ES, Martin nannte es von nun an ES, grinste die Neuankömmlinge an, hob die eine Hand grazil
und hauchte: „Hallöchen.“
Doch jetzt wurde es problematisch, als die beiden bayrischen Panzerbrecher eine Bresche durch den Bus schlagen wollten.
Sie blieben buchstäblich in der Vorwärtsbewegung stecken.
Numu sah sich das kurz an und meinte dann: „Nun müssen wir mal
schnell umbauen das Touri-Bus. Jetziger Touri-Bus etwas kleiner, da weniger Touristen gekommen sind. Alle mal raus. Meine die Personen im Bus
da, die schon sitzen. No problem.“ „Öh, Och Mann und Mannoh“ waren zu
hören, doch unter Numus strengem Augenrollen rappelten sich alle brav
aus dem Bus. Jetzt wurden die Karten neu gemischt und Numu teilte seine
Kompanie ein. Die „Specks“ (dickes bayrisches Ehepaar)) wurden gleich hinter dem Fahrer platziert,
weil sie so unmittelbar durch die Bustür und ohne größere Verluste direkt
Platz nehmen konnten. Daneben ES.
Symbolisch für die Geschichte des Fußballvereins Schalke saß der Prolo
mit seiner Begleitung und dem Mops in zweiter Reihe. Zweiter Platz eben.
Dahinter Martin mit Anhang und letzte Reihe Uwe und Rasta-Svenja auf
einem Viererplatz.
„Wollt ihr Ossis euch mal in Afrika so richtig an Bananen satt essen?“,
grölte ein zweites Mal diese auffällige Person im hinteren Teil des Busses,
wurde jedoch abrupt von der Frau daneben unterbrochen. „Mal den Ball
schön flach halten. Die ollen Sprüche will doch keiner mehr hören.
Die aufmerksame Ruhe wurde von einem gekünstelten hellen Mannheimer
Dialekt unterbrochen: „Ja gell, ich bin offiziell der Jan Flunder und 43
Jahre jung. Als Chefsekretärin von einer Spedition in Mannheim mit vier
Mitarbeitern und meinem Chef habe ich oft Zeit, mir meine Fingernägelsche schön zu lackieren und meinen Kopf ein wenig hübsch zu drapieren.
Ich arbeite ja nur einen halben Tag dort, die andere Zeit sitze ich an der
Kasse von einem Bräunungsstudio. Ihr könnt mich gerne Janette nennen.
Janette, die Nette. Mich interessieren hier die hübschen, starken, rabenschwarzen Kerlchen.“
Das brummige „Schwuchtel“ wurde von einem zischenden „Halt die
Klappe“ einer weiblichen Person unterbrochen.
Ein Grummel, grummel kam als Bestätigung von Corvette-Schalke-Manne.
Der Sprössling meldete sich zu Wort. „Ich heiße Marvin, bin 12 Jahre alt
und das ist meine Mama. Der Manne ist nicht mein Papa. Meinen Papa
kenne ich nämlich gar nicht. Ich bin in der 5. Klasse und werde mal meine
Knete als Rapper verdienen.“ Dabei verschränkte er merkwürdig spastisch seine Hände und Finger, um dann zu fragen: „Sag mal, gibt es hier
noch Menschenfresser? Der Manne sagt das nämlich immer.“
Der Wagen fuhr gemütlich auf dem Asphalt. Fahrer Konteh, das Lamin
vernachlässigen wir mal, drehte die Musik lauter. Eine Mischung aus Reggae mit afrikanischen Rhythmen, die bei der Rastafrau den Kopf im Takt
zucken ließ, erfüllte den Bus. Entlang an mächtigen Baobabs und Affen[1]brotbäumen, vorbei an Ziegenherden, Hühnern, Gestrüpp, Wellblechhütten, streunenden Hunden, spielenden Kindern.
Hatte was von entspanntem Dahingleiten. Die Klimaanlage funktionierte, der Diesel schnurrte. Nach Minuten des angenehmen Schweigens:
„Mama, wann gehen wir Negerkinder füttern?“
Ein paar Sekunden spannender Ungläubigkeit.
„Ach siehste, Manne, merkste nun, dass du meinem Piefkes nur Blödsinn
beibringst! Ach weißte. Marvin, dat sagt man doch nisch. Neger. Afrikaner
sind das.“
Die Bayerin musste ihren Senf hinzugeben: „Ja du bist vielleicht a wuider
Dinger. Bua, die Neger heißen nicht mehr Neger, sondern sind jetzt die
Schwoarzen. Denen kannst du dann Zuckerl geb’n. Das sind ganz arme
Eingeborene. Net füttern. Das sagt ma doch net.“
„Die Neger, die Schwarzen meine ich, sind gar nicht so arm“, sagt der
Knirps, „die brauchen nämlich auch keine so teuren Kleider wie wir zu
kaufen, weil es hier keinen Winter gibt. Und Bananen und Kokosnüsse
dürfen sie überall pflücken und essen. Nicht wahr, Manne?“
„Mensch Manne, dat kommt doch wieder von dir. Hör doch nisch auf den doofen
Alden hier. Klar sind die Eingeborenen arm. Sieht man ja auch immer
auf dem Foto bei ,Brot für die Welt‘“, wusste Monika zu berichten. Ja und
was mach ich jetzt mit den ganzen Bömsken, die ich abgeknapst habe?“,
nörgelte der Bub.
Auf dem Handwerkermarkt in Serekunda.
Mannes Monika faltete interessiert verschiedene angebotene Tücher auseinander. Ein stattlicher Schwarzer half ihr ohne großes Palaver dabei, ein
Tuch auf dem Tisch auszubreiten. Das Motiv: Strohhütten mit tanzenden,
fröhlichen, halbnackten Eingeborenen, eingerahmt von Palmen in dezent
warmem Braun gehalten. Dieses naive Bildnis hatte es ihr angetan.
„Manne, kannst mir mal von dem Kanten da das lecker Tuch eben latzen?
Komm eh, rück mal Asche raus.“
Manne noch leicht wegen dem Autodebakel angesäuert: „Quatsch doch,
Lutsche, wenn wir so weitermachen, ist der Bus voll mit deinem Gelumpe
und wir schnell mal pleite.“
Monika warf ihm einen giftigen Blick zu und Manne fügte hinzu: „Brauchst
jetzt keine Fleppe ziehen wegen dem Fummel da.“
„Hab selber Kohle, Alder. Dir hol isch noch mal ein Bierchen. Verjiss et.“
„Och, meine Lieben, dein Manne hat ja nicht gerade eine akademische
Wortwahl. Ich sehe das ganz anders. Dieser schöne Stoff, diese warmen
Farben würden dich schnuckeliges Schätzchen einhüllen wie eine gambianische Schönheit für das graue Zuhause im Ruhrpott. Bezaubernd würdest du darin aussehen.“
ES nahm seine Halbkollegin in kollektiven Schutz.
„Eh, du Tunte, mach mal Meter und such Leine. Akadingsbums, kannst
mich mal. Ruhrpott, haste nicht mehr alle an der Mirpse? Dat dürfen nur
wir sagen!“ Manne pumpte sich vor ES auf wie ein Mandrill in der Paarungszeit, stemmte seine Arme in die Hüfte und blickte zornig.
„Mein Lieber, weißt du, dass du eine unheimlich männliche, erotische
Stimme hast? Wie du deine Lippen stülpst, wenn du was sagst. Voll abgefahren. So wie du behaart bist, passt du ja vortrefflich hier nach Afrika zu
den einfachen Primaten.“
Manne erstarrte zu Eis und blickte starr: „Lutsche, die, äh, der macht mir
voll Angst, machen wir ’ne Mücke, komm.“….
Mehr aus Gambia im Buch...
Zum Buch
Über Facebook bekam ein gewisser Martin Stengele, den
wir aus dem Wendezeitroman `Wild Wild Ost´ bereits kennen, Kontakt zu einem gleichaltrigen User aus Gambia. Ihre Väter mussten sich in einem kleinen Örtchen namens Dien Bien Phu, nicht weit von
China und in der Nähe von Laos begegnet sein. Damals in der Schicksalsschlacht 1953 oder 1954 hatten sie möglicherweise Kontakt zueinander.
Um den redlich verdienten Urlaub zu verbringen und dabei seinen Wissensdurst zu stillen, packte ihn eine treibende Neugier. Mit seiner Frau flog er nach Westafrika um seine Facebook-Bekanntschaft zu treffen und Zeitzeugen zu befragen.
Wenn reisewütige Repräsentanten aus Deutschland
unterschiedlichen Alters, im kleinsten Urlaubsland Afrikas ihren Urlaub verbringen, dann kann man davon ausgehen, dass dies einen respektablen Durchschnitt der bundesrepublikanischen
Urlaubskultur wiederspiegelt.
Doch gibt es im schwarzen Afrika viele Gefahren und viele Fragen:
Können wir davon ausgehen, dass der Gastgeber seine Gäste aus der sogenannten ersten Welt, als
gleichberechtigte Rasse begrüßt oder trifft es auf Arroganz und Hochmut?
Gibt es im eingeklemmten Land zwischen dem Senegal gefährliche Löwen und Hyänen, die
etwas von dem weitgereisten weißen Speck abhaben wollen oder sind dies nur Hirngespinste
touristischer Prahlereien?
Wenn Flusspferde Touristenboote rammen, sind dies dann mörderische Bestien oder beschützen die
Elterntiere nur ihren Nachwuchs?
Verspeisen dort im Land entlang des Gambia-Flusses die Menschenfresser am liebsten Vegetarier oder
doch nur richtiges Fleisch?
Kann man als ausländischer Gast dem einheimischen Hotelangestellten einen Plastiksack voll
Schwarzgeld anvertrauen oder verschwindet er und war mal längste Zeit
einheimischer Hotelangestellter?
Kann man Krokodile streicheln oder ist man hinterher dem Orthopäden ein guter Freund?
Können sich Affen am Tisch benehmen oder gehen sie lieber Angeln?
Ist man Moskitoangriffen schutzlos ausgeliefert oder kann man sie mit einem Ventilator
bekämpfen?
Waren Sklavenjäger Sportskameraden oder der Polizeichef nur ein Spielverderber?
Sind große Ansammlungen von Steindildos Fruchtbarkeitssymbole oder sind die Megalithen kosmischen
Ursprungs?
Sind Schalker immer nur Königsblau oder sehen Tunten alles nur durch eine rosa Brille?
Eignen sich Briten als Darwische oder besser als Freischneider?
Sorgt Natural Viagra für einen strammen Max oder macht es dich matt?
Gibt es einen Schlüssel in die Vergangenheit oder gibt es für Kinder nichts zu essen?
Sind die Malariaviren tatsächlich so groß, dass man sie mit dem bloßen Auge sehen kann oder wurde
im Fieber fantasiert?
Gibt es einen deutschen Drillmaster für Gambias Marines oder existiert General von Lettow-Vorbeck
noch?
Treiben tote Seelen vor Afrikas Küste oder leben Seefahrer in hölzernen Masken?
Kann man leben wie Gott in Gambia oder nur benehmen wie Narren aus Alemannia?
Lächeln gambische Gefangene gerne im Knast oder ist Steve Urkel nur ein Double?
Sind Bumster gute Schnellläufer oder mögen sie kein Wasser?
Darf man deutsche Polizisten winken oder ist man dann in Afrika?
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